Die Frittlinger Fasnet

Pfarrer Berlinger (1798-1829) klagte über das Narrenlaufen untertags zur Fastnachtszeit gegen das allerhöchste, ausdrückliche Verbot:


1818

Kirchenkonventsprotokoll: Seit mehreren Jahren hat in Frittlingen, sonst nirgends im Land, allein ausgenommen vielleicht im benachbarten Schörzingen, der Unfug mit dem sogenannten Narrenlaufen, Maskieren und dergleichen über die Faschingszeit eingerissen. Das damit verbundene Aufsagen hat Feindschaften unter ganzen Familien, manchmal lebenslänglich, zur Folge. Es wird geklagt, daß unter diesen Leuten die meisten beurlaubt wären, um damit einen Grund zum Ausschweifen zu haben.

Der Pfarrer soll in der Christenlehre, der Schultheiß durch Dorfschulzen gegen diesen, beinahe nur in Frittlingen eigenen, Mißbrauch vorgehen.


1836

Die bei der Unsitte des sogenannten Wäschens gezogen Schranke, daß nämlich nach dem Betläuten nicht mehr aufgesagt werden darf, ist streng zu beachten.


1841

Kirchenkonventsprotokoll: Beschluss:

An der Fasnet ist Schule zu halten, damit die Kinder nicht narren.


1848 Kirchenkonventsprotokoll:

Die Fastnachtsspiele und Mummereien sind hier schon längst verboten wegen Ausschweifungen, die vorkommen, wegen Verdrießlichkeiten und Unbilden, welche sich Vermummte gegen jedermann erlauben.

Am letzten Donnerstag ging Josef Maier in seiner Maske (Plätzlehäs) durch die Gassen. Er bestellte dazu eine Schar Kinder, die seinen Schweif bilden und seinen Ruf "Freiheit- Gleichheit" wiederholen sollten. Am Aschermittwoch zeigte sich wieder eine Gruppe Maskierter, die aus dem Hause des Ochsenwirtes kam und die sich erlaubten, ehrbare Bürger zu beleidigen, den Gemeinderat zu verhöhnen und "Freiheit-Gleichheit" auszurufen. Es wurde beschlossen, die vom Dienstag mit 3 Fl. und die vom Mittwoch mit 6 Fl. zu bestrafen.


1856

Aus Anlaß der bevorstehenden Faschingsbelustigungen gedenkt man, früher vergriffene Maßregeln wieder anzuordnen. Solche Mummierungen dürfen nicht getrieben werden in der Zeit des Pfarrlichen Gottesdienstes, zur Mittagsstunde von 11 bis 12 Uhr und müssen zu Ende sein mit dem abendlichen Betglockenzeichen.


1858

Am Fastnachtsonntag ist durch den Kirchenkonvent und das bürgerliches Kollegium jede Maskerade und Mummierung streng verboten. Am Dienstag ist das Narren in anständiger Form erlaubt, aber nur bis zum abendlichen Betläuten.


1876

Der Kirchenkonvent als Sittenpolizei

verbietet das sogenannte Fastnachtsvergraben oder lärmende, öffentliche Aufzüge am Aschermittwoch.


1883

Mit der Fasnet hing zusammen, daß hier einmal ein Lügenverein existierte. Im "Heuberger Bote" vom 15.01.1883 kam folgende Announce:

"Frittlinger Lügenverein":

Am Samstag, den 15. des Monats 5 Uhr hält der Lügenverein Sitzung, wozu sämtliche Mitglieder namentlich die von Denkingen und Spaichingen eingeladen sind.


Tagesordnung:

1. Aufnahme neuer Mitglieder, namentlich solcher, welche von Rechts wegen Hätten schon längst beitreten sollen

2. Wahl eines erprobten Lügners zum Schriftführer. Vorstand Anton Geiger, Notar


Lobend darf man erwähnen, daß früher an der Fasnet hervorragende Theaterstücke zur Aufführung gelangten.

Vor allem durch die Theatergesellschaft, welche jahrzehntelang bis zu seinem Tod (1899) Josef Bader-Schneider leitete. Er war ein sehr begabter Mann, gebildet durch den Aufenthalt im Ausland (Frankreich). Er übte alles selbst ein und fertigte die Kostüme selbst.

1873 veranstaltete er in origineller Art am Aschermittwoch das Begraben durch ein Zauberschiff, welches nach Kalifornien fahren sollte, um für Frittlingen Geld zu holen. Beim "Hirsch" aber erlitt das Schiff programmässig Schiffbruch und warf seine Insassen in den Dreck.


Unter Bader aufgeführte Theaterstücke (oftmals im Freien vor dem "Kreuz"):

1863

Turandot Tragikk. Märchen

1864

Jungfrau von Orleans Margret Braun spielt mit 20 Jahren die Jungfrau und hat im Alter von 90 Jahren (gest. 1935) noch ihre ganze Titelrolle auswendig gekonnt.

1865

Heinrich IV. Shakespeare

1870

Der Zunftmeister von Nürnberg O. Redwitz

1873

Macbeth Shakespeare

1874

Das Leben im Traum Caldern

1893

Das Kätchen von Heilbronn

1895

Wilhelm Tell


Durch Bader gewohnt, sich an große Stücke zu wagen, wurden auch nach seinem Tode noch solche aufgeführt.

1902

Die Heldin von Transval (Aus dem Bürgerkrieg)

1906

die Türken vor Wien und Herzog Ulrich v. Württemberg

1923

Zwing, Th. Kröner (Turnverein)

Man darf sagen, daß bis in die neuste Zeit an der Fasnet nur edle Stücke vorgeführt worden sind.


1924

stand im "Heuberger Boten" die Bemerkung:

"Das Narren geht allmählich zurück. Man sagt sich das Jahr über öfters die Wahrheit."


1928

Einen schönen und sinnreichen Umzug haben die Frittlinger im Jahre 1928 gemacht, aber sonst ist meist wenig Sinn und Witz in der Fasnet. Auch das Narrenblättle ist ziemlich geistlos. In den letzten Jahren hat das Narren wieder zugenommen. Die Nähe der Narrenstadt Rottweil übt einen starken Einfluß aus.


1968

Das Begraben der Fasnet am Aschermittwoch wird traditionsgemäß wieder aufgegriffen. Die Zunfträte, in Frack und Zylinder gekleidet, ziehen im Trauerzuge, die vergangene Fasnet in Gestalt einer Strohpuppe mittragend, wehklagend durch das Dorf und in alle Gasthäuser.


Nach der Aschermittwoch-Litanei gibt es in den Gasthäusern Freibier. Zum Abschluß wird die Strohpuppe beim "Kreuz" verbrannt.

 

Verschiedene Sprüchlein werden aufgesagt:

"Horig, horig, horig ischt dia Katz,

und wenn dia Katz nit horig ischt,

no fängt si koni Mäus."

"Borschtig, borschtig, borschtig ischt dia Sau

und wenn dia Sau nit borschtig ischt,

no geit si koni Leberwürscht."

"Narr, Narr, sieba Si,

sieba Si sind Narre gsi."

Si = Söhne

"Hau dr Katz dr Schwanz ab,

hau ere au nit ganz ab,

lass ere no on Stumpa schtau,

dass si ka schpaziera gau."

"Narro, Narro kugelrund,

d'Frittlinger sind an dr Fasnet gsund,

doch zum Schrecken und Malör,

d'Gelbeutel sind jetzt alle leer."


Am Schluß: "O jerum, o jerum, dia Fasnet hät a Loch"


Am Montag und Dienstag wird aufgesagt, d.h., den Leuten die Wahrheit ins Gesicht gesagt. Die Hausfrau backt die Fasnetsküchle. Es wird in diesen Tagen viel Geld ausgegeben und vorher wird gespart. Auch von denen, die das ganze Jahr nicht sparen, daß man ja alles mitmachen kann.


Die Frittlinger Fasnet und die Kirche:

Es ist von alther Gebrauch, daß der Pfarrer jährlich an der Herren-Fasnet jedem Kind der Gemeinde Frittlingen 2 Küchlein gegeben, solches auf der Kanzel verkündet und die Bürger dazu freundlich eingeladen hat, dabei vermeldend, wenn die ehrbare Gemeinde Lust und Liebe hat, aus Freund- und Nachbarschaft beim Pfarrer das Fastnachtsküchlein abzuholen, so solle man sich nachmittags zwischen 1 und 2 Uhr einfinden.

Wenn dann einige derenthalber zum Pfarrer kamen, habe derselbe den Wein so getrunken und bezahlt, was alles aus guter Affektion und Verständnis geschehen.

Ebenso war es früher am Aschermittwoch gebräuchlich, daß der Pfarrer den Weibern 40 Mass Wein und die Stiftung das Brot dazu schenkte; dies wurde das Weiberschöpplein genannt, weil jede einen Schoppen bekam.


Die Weiber kamen im Sonntagskleid ins Wirtshaus. Oben an der Tafel saß die Frau des Vogtes (Schultheiß), die Schultesse. Die Zeche ging den ganzen Nachmittag.


Dies hat am 28.06.1708 Pfarrer Holderried versprochen und mußte jeder Pfarrer bei seiner Investitur der Gemeinde zusagen.

Zwar wird dieser Brauch in einer Entscheidung von Konstanz im Jahre 1738 (7V79I2) als freiwillig bezeichnet, aber was wollte der Pfarrer anders machen, wenn ihm nach einem festlichen Empfang gleichsam als Gegenrechnung nahegelegt wurde, es so zu halten wie alle seine Vorgänger und wenn er es nicht von vornherein mit den Weibern seiner neuen Gemeinde verderben wollte.